Ein Leben für das Friseurhandwerk

Ein Leben für das Friseurhandwerk

Sybille Hain zieht sich aus dem Vorstand des Thüringer Handwerkstag zurück
Sybille Hain hat ihre Prinzipien. Auch – oder gerade in – ihren letzten Monaten im Arbeitsleben. Ende August 2020 wird sie ihren Friseursalon, „Kopf-Kult“ in unmittelbarer Nähe des Domplatzes in Erfurt, an eine Nachfolgerin abgeben. Aufgrund dessen zieht sie sich schon jetzt aus dem Vorstand des Thüringer Handwerkstag e.V. (THT), der am heutigen Donnerstag (12. September) neu gewählt wird, zurück. „Ich habe immer gemeckert, wenn meine Kollegen an ihren Posten festhalten. Jetzt sind die Jungen dran“, begründet sie. Neun Jahre lang war Sybille Hain die Vizepräsidentin des THT – als erste Frau im Gremium. „Wir danken ihr für ihr jahrelanges Engagement, das ihre tiefe Verbundenheit mit dem Handwerk in Erfurt und in Thüringen unterstreicht“, sagt Präsident Stefan Lobenstein.
Mit dem Rückzug aus dem THT-Vorstand beginnt der Rückzug aus dem Arbeitsleben. Aus einem Beruf, der nicht die erste Wahl von Sybille Hain war. „Ich wollte studieren. Aber mein Vater war Friseurmeister und ich sollte sein Geschäft übernehmen. Mit 14 Jahren hat man seinen Eltern nicht widersprochen“, erinnert sie sich. 1965 bis 1968 lernte sie den Beruf von der Pike auf, arbeitete danach als Gesellin in der Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) und bildete dort bereits Lehrlinge aus. 1979 bestand sie ihre Meisterausbildung und legte zudem die Prüfung zum staatlich geprüften Lehrmeister ab. Ab Februar 1985 wurde sie PGH-Vorsitzende.
Mit der politischen Wende änderte sich das berufliche Leben von Sybille Hain – wie für viele Handwerker – rasant. Schon 1990 wagte sie den Schritt in die Selbstständigkeit, eröffnete zwei Friseursalons in Döllstädt und Mittelhausen. 1995 ging sie mit „Kopf-Kult“ in die Erfurter Innenstadt. „Am 1. September feiere ich das 25-jährige Bestehen. Das wollte ich einmal schaffen“, sagt sie und lacht. Sybille Hain ist zufrieden mit ihrer Karriere – und rückblickend froh über den Impuls ihrer Eltern für das Friseurhandwerk. „Es ist der beste Beruf für mich. Ich bin nah an der aktuellen Mode und arbeite mit Menschen. Ich weiß nicht, ob ich in einem anderen Beruf so viel Leidenschaft entwickelt hätte“, sagt sie. Leidenschaftlich gerne hat sie sich um den Nachwuchs gekümmert. In ihren Berufsjahren hat sie 148 Gesellen ausgebildet. „Viele davon sind selbstständige Friseurmeister und sehr erfolgreich“, betont Sybille Hain.
Neben der Führung ihres Salons hat sie sich ehrenamtlich engagiert – nicht nur im Vorstand des Thüringer Handwerkstag. Seit 1993 war sie die Obermeisterin der Friseurinnung Erfurt, zwei Jahre später fusionierte diese mit dem Ilmkreis. 1996 wurde Sybille Hain zur stellvertretenden Landesinnungsmeisterin der Friseure und Kosmetiker in Thüringen gewählt. 2004 übernahm sie den Vorsitz, den sie bis heute innehat. Dabei segnete sie unter anderem den Zusammenschluss mit Sachsen-Anhalt ab und führte den einst verschuldeten Verband in ruhiges Fahrwasser. „Ich wollte jungen Leuten eine Chance geben. Und es hat sich gelohnt. In den vergangenen zehn Jahren haben wir zahlreiche Titel nach Thüringen geholt“, sagt sie.
Weitere Titel könnten bereits im November folgen. Im eigenen Bundesland. Sybille Hain ist es gelungen, die Deutsche Meisterschaft der Friseure nach Thüringen zu holen. Am 9. und 10. November werden die besten Haarstylisten Deutschlands in der Erfurter Messe um die Medaillen kämpfen. „Nach 30 Jahren Wiedervereinigung findet sie erstmals im Osten statt. Wir haben jahrelang darum gekämpft“, so die Friseurmeisterin.
Auch im Bundesvorstand des Zentralverbands des Friseurhandwerks war sie fast ein Dutzend Jahre aktiv – ebenfalls als erste Frau aus der ehemaligen DDR. „Da muss man sich durchsetzen können“, sagt sie. Auch diesen Posten wird Sybille Hain im kommenden Jahr aufgeben. Der Abschied fällt ihr schwer. „Mein Herzblut hängt daran. Ich muss mir jetzt etwas Neues suchen, was mich erfüllt“, blickt die 68-Jährige voraus. Sie denkt an den Besuch kranker Menschen im Krankenhaus oder eine Tätigkeit als Vorlese-Oma. Denn Sybille Hain kann die Füße nicht stillhalten.

Neun Jahre lang war Friseurmeisterin Sybille Hain aus Erfurt die Vizepräsidentin des Thüringer Handwerkstag. Zur Neuwahl des Vorstandes tritt sie nicht noch einmal an. Foto: Anne-Katrin Windisch, HWK Erfurt