Weniger Handwerksbetriebe, mehr Auszubildende: Aktuelle Zahlen des Thüringer Handwerks zeigen Trends auf

Die Dichte der Handwerksbetriebe in Thüringen sinkt. Das zeigen die aktuellen Zahlen der drei Thüringer Handwerkskammern. Derzeit (Stand: 30. Juni 2023) sind im Freistaat 29.736 Betriebe in den Rollen eingetragen, davon 13.910 im Kammerbezirk Erfurt, 9.300 im Kammerbezirk Ostthüringen und 6.526 im Kammerbezirk Südthüringen. Das sind 1.849 Betriebe weniger als vor zehn Jahren (31.12.2013).

Die Gründe für den Schwund der Handwerksbetriebe sind vielfältig. Einerseits nimmt die Anzahl durch den demografischen Wandel kontinuierlich ab, andererseits haben die Krisen der vergangenen drei Jahre für Unsicherheit und Unplanbarkeit bei den Unternehmen gesorgt. „Im Zuge der Corona-Pandemie oder der Energiekrise waren die Hürden für einige Betriebe so groß, dass sie Insolvenz anmelden mussten. Zudem fällt die unternehmerische Selbstständigkeit in wirtschaftlich unsicheren Zeiten schwerer“, erklärt der Präsident des Thüringer Handwerkstag e.V., Stefan Lobenstein.

Im Kammerbezirk Erfurt liegt die Branche Bau (3.962 Betriebe) knapp vor der Branche Metall/Elektro (3.945). In den Kammerbezirken Ostthüringen und Südthüringen werden indes mehr Metall-/ Elektrobetriebe (Ost: 2.784; Süd: 2.079) als Bauunternehmen (Ost: 2.321; Süd: 1.529) gezählt. Die wenigsten Betriebe im Kammerbezirk Erfurt (452), im Kammerbezirk Ostthüringen (301) und auch im Kammerbezirk Südthüringen (296) sind im Bereich Nahrung registriert.

Sinkende Beschäftigtenzahl, steigende Azubi- und Meisterzahl

Einhergehend mit dem Rückgang der Betriebe nimmt auch die Zahl der Beschäftigten ab. Während vor der Corona-Pandemie (Stand: 31.12.2019) noch 151.000 Beschäftigte ihr Geld im Handwerk verdienten, sind aktuell 148.000 Menschen im Handwerk tätig. Das entspricht dem Niveau der Jahre 2012 bis 2014. „Das bedeutet nicht, dass es weniger zu tun gibt. Im Gegenteil: Aktuell schultern weniger Menschen die nach wie vor gute Auftragsauslastung in den Gewerken. Der Fachkräftemangel ist spürbar“, sagt Stefan Lobenstein.

Umso erfreulicher reagieren die Thüringer Handwerkskammern auf die Zahl der Auszubildenden und der Neuverträge im Handwerk. Zum ersten Halbjahr 2023 haben sich 1.469 junge Menschen, darunter 807 im Kammerbezirk Erfurt, 349 im Kammerbezirk Ostthüringen und 313 im Kammerbezirk Südthüringen, für eine Karriere im Handwerk entschieden. Das sind insgesamt 186 mehr als im Vorjahreszeitraum – und mit Juli und August stehen die wichtigsten Zeiträume der Vertragsabschlüsse noch bevor. „Hier zeigt sich nicht nur, dass die vielfältigen Image- und Werbemaßnahmen des Handwerks wirken, sondern auch, dass das Handwerk weltoffen ist. Es werden vermehrt Geflüchtete und Migranten in die Betriebe integriert, was ihnen auf Dauer ihre Zukunft sichern wird“, betont Stefan Lobenstein.

Zuversicht gibt zudem die Zahl der Meisterabsolventen. Im Jahr 2022 haben 478 junge Handwerkerinnen und Handwerker ihren Meistertitel erhalten. Das war die höchste Zahl seit 2013 (495). „Wir spüren, dass die junge Generation das Handwerk wieder mehr lebt und liebt. Sie will ihren eigenen Betrieb gründen oder einen bestehenden übernehmen. Diesen frischen Wind gilt es zu nutzen“, sagt Stefan Lobenstein.

Handwerk setzt auf Unterstützung der Politik

Neben der Arbeit der Handwerksorganisationen, die sich für die Beratungen von Schulabsolventen, Auszubildenden, Meistern, Existenzgründern und Betrieben in diversen Themenfeldern verantwortlich zeigen, sei das Thüringer Handwerk auf die Unterstützung der Politik angewiesen. „Die Politik setzt die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln. Hier sehen wir dringend Nachholbedarf. Die Bürokratielast der Betriebe ist deutlich zu hoch, sie verbringen viel zu viel Zeit mit administrativen Aufgaben, statt ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen zu können. Zu viele Gesetze in kürzester Zeit, zu viele neue Regelungen führen zu einer Überlastung und Verunsicherung“, so der THT-Präsident.

Es sei an der Zeit, dass das Handwerk, das als ungebrochene Wirtschaftsmacht von Thüringen gilt, eine stärkere Wertschätzung seitens der Politik erfährt. „Nur dann ist das Handwerk auch in der Gesellschaft und insbesondere in der jungen Generation angesehen. Nur dann sichern wir die Zukunft der Betriebe und damit die tägliche Versorgung der Thüringerinnen und Thüringer – vom Brötchen und der Wurst über den neuen Haarschnitt und die neue Wärmepumpe bis hin zum Notfall im Haus“, betont Lobenstein.