November 2001 – Thüringer Handwerk -- archive.php --

Bilanz zur Vereinbarung zwischen der Thüringer Landesregierung und dem Thüringer Handwerk – Der Thüringer Handwerkstag e. V. formuliert künftige Aufgaben zur weiteren Umsetzung der Vereinbarung

Bilanz zur Vereinbarung zwischen der Thüringer Landesregierung und dem Thüringer Handwerk – Der Thüringer Handwerkstag e. V. formuliert künftige Aufgaben zur weiteren Umsetzung der Vereinbarung

Mit der seit dem 23. Juni 2000 bestehenden Vereinbarung zwischen der Thüringer Landesregierung und dem Thüringer Handwerkstag e. V. wurde eine tragfähige Basis für die weitere Entwicklung des Handwerks geschaffen. Sichtbare Ergebnisse, die der Weiterentwicklung des Handwerks und der Sicherung der Betriebe dienten, wurden seither erzielt.
Da die Vereinbarung auf einen dynamischen Prozess der Zusammenarbeit zwischen der Landesregierung und dem Thüringer Handwerk gründet, sind nicht nur regelmäßig die erzielten Ergebnisse zu überprüfen, sondern sind die Inhalte und Schwerpunkte stets aktuellen Gegebenheiten anzupassen und entsprechend weiterzuentwickeln.
So sollte diese Vereinbarung einen größeren Wirkungsgrad erhalten, indem weitere politische Ebenen und weitere Bereiche der Handwerksorganisation in unserem Bundesland konkret einbezogen werden. Denn eine positive Entwicklung des Handwerks ist auch in den Kreisen und Kommunen von zentralem Interesse. Handwerk, Politik und Verwaltung müssen daher auf allen Ebenen intensiv ihre Gestaltungsmöglichkeiten nutzen. Hierfür gibt die Vereinbarung wichtige Impulse.

In seiner Bilanz zeigt sich der Thüringer Handwerkstag e. V. in weiten Teilen zufrieden mit dem Umsetzungsstand der Verein-barung. In zahlreichen Politikfeldern fand eine stärkere Konzentration auf die spezifischen Belange des Handwerks statt. Auch die jüngsten Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission des Landtages zur künftigen Wirtschaftsförderung in Thüringen stimmen inhaltlich weitestgehend mit den Schwerpunkten dieser Vereinbarung überein.
Als Umsetzungsschritte der Vereinbarung betrachtet der Thüringer Handwerkstag e. V. beispielsweise das Programm „Grün-dungs- und Wachstumsfinanzierung“ (GuW) sowie die Vergabe-Mittelstandsrichtlinie. Die Bundesratsinitiative Thüringens für einen wirksameren Schutz des Bauunternehmers wird ausdrücklich vom Thüringer Handwerk begrüßt. Diese Initiative sollte nach Möglichkeit zusammen mit dem Freistaat Sachsen, der ähnliche Überlegungen hegt, gestartet werden.
Die intensive Förderung des Beratungswesens im Handwerk, die Förderung des Technologietransfers und in diesem Zusammenhang die Unterstützung der Bildung von Kompetenzzentren und nicht zuletzt die umfangreiche Förderung der Aus- und Fortbildung sind weitere Aspekte in der positiven Bilanz, die der Thüringer Handwerkstag zieht.

Im Rahmen der politischen Möglichkeiten des Landes sieht der Thüringer Handwerkstag e. V. in den folgenden Punkten weiteren Hand-lungsbedarf, um die Entwicklung des Handwerks unterstützend zu begleiten.

Ausbau der Infrastruktur

Land und Gemeinden müssen gemeinsam mit dem Bund wirtschaftsnahe Infrastrukturen modernisieren und aufbauen. Dies ist eine grundlegende Voraussetzung für ein notwendiges Wirtschaftswachstum und erhöht gleichzeitig die Attraktivität Thüringens als Wirtschaftsstandort.
Hierbei unterstützt das Thüringer Handwerk den Vorschlag eines „Sofortprogrammes Ost“ von Ministerpräsident Dr. Vogel. Neben den großen Verkehrsprojekten sind insbesondere auch die lokale und regionale Verkehrsinfrastruktur, Kommunikation, Energie und Wasser, Bildungs- und Kultureinrichtungen sowohl für hier ansässige Betriebe als auch für Investoren von Bedeutung. Aus dem „Sofortprogramm Ost“ und dem „Stadtumbau Ost“-Programm des Bundes heraus ergeben sich darüber hinaus dringend notwendige Impulse für das Baugewerbe.
Diese zusätzlichen Infrastrukturinvestitionen sollten unter anderem aus Mitteln finanziert werden, die aufgrund einer Reduzierung und Konzentration von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Strukturanpassungsmaßnahmen frei werden.

Technologietransfer/Innovationsförderung

Vor dem Hintergrund der Globalisierung der Wirtschaft bedarf es einer Wirtschaftstruktur, in der die Unternehmen in einem engen und wechselseitigen Zusammenwirken wettbewerbsfähige Wertschöpfungsketten bilden. In den neuen Ländern bestehen hierbei noch strukturelle Defizite, die durch eine zielgerichtete Stärkung der Innovationspotenziale der mittelständischen Wirtschaft und damit des Handwerks weiter ausgeglichen werden müssen. Dies erfordert zusätzliche Anstrengungen bei der Stärkung des Technologietransfers sowie auch die Förderung innovativer Unternehmenserweiterungen und innovativer Unternehmensgründungen. Die Stärkung der Innovationsfähigkeit vor Ort durch den Aufbau regionaler Netzwerke und Wirtschaftskreisläufe sollte hierbei im Mittelpunkt stehen. In diesem Zusammenhang unterstützt das Thüringer Handwerk Umstrukturierungen in Fördereinrichtungen des Landes, um eine höhere Effizienz zu erreichen.

Arbeitsmarktpolitik

Der Arbeitsmarkt in Thüringen und den anderen neuen Ländern ist seit Jahren von einer dauerhaft hohen Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Strukturanpassungsmaßnahmen haben zur Verfestigung des zweiten Arbeitsmarktes beigetragen. Der beabsichtigte Übergang in eine reguläre Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt war bisher nur in geringem Umfang möglich. Notwendig ist daher eine bedarfsgerechte Qualifizierung von Arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit bedrohten Personen. Hierzu sollte der Sachverstand der Bildungszentren des Handwerks einbezogen werden. Es bleibt weiterhin festzustellen, dass auf Grund der wirtschaftlichen Aktivitäten von Beschäftigungsgesellschaften dem Handwerk Aufträge entzogen werden. Im Mittelpunkt der Handwerkskritik steht hierbei das Vergabeverhalten der Kommunen, die Aufträge an Beschäftigungsgesellschaften und scheinprivatisierte Kommunalbetriebe vergeben. Das Thüringer Handwerk fordert eine Reduzierung der Mittel für ABM und SAM und eine Begrenzung der Förderung auf nicht-gewerbliche Bereiche. Die frei werdenden Mittel sollten für zweckgebundene Investitionszuweisungen für Infrastrukturmaßnahmen in den Kommunen verwendet werden.

Stabilisierung der bestehenden Betriebe und Förderung von Existenzgründungen

Das Hauptaugenmerk muss auf die Sicherung von Existenzen gelegt werden.
Die vielfältigen Instrumente, die den Schritt in die Selbstständigkeit in Thüringen unterstützen, sind zu evaluieren, weiter zu entwickeln und in ihrer Effizienz zu schärfen. Das Programm „Gründungs- und Wachstumsfinanzierung“ (GuW), das Landesinvestitionsprogramm sowie der Existenzgründerpass sind aktuelle Förderungen, die den Anforderungen des Handwerks entsprechen. Für die Weiterentwicklung der Betriebe sind ausreichend Fachkräfte eine wichtige Bedingung. Das Handwerk erneuert daher seine Forderung nach Unterstützung der Wirtschaft hinsichtlich der Eindämmung der Fachkräfteabwanderung aus Thüringen, insbesondere durch Schaffung entsprechender Bildungsangebote sowie einer engen Verzahnung von Wirtschaft und Forschung wie auch von Wirtschaft und Bundeswehr.

Beratungsförderung

Die Betriebsberatung im Handwerk trägt maßgeblich zur Steigerung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Handwerks-unternehmen
bei. Die bewährte Förderung des organisationseigenen Beratungswesens mit Bundes- und Landesmitteln sollte daher
unverändert fortgesetzt werden.

Ausbildung/Qualifizierung

Die 75-prozentige Förderung der Überbetrieblichen Lehrunterweisung ist auch künftig beizubehalten. Sie ist ein wichtiger Baustein in der handwerklichen Berufsausbildung. Mit der Unterzeichnung der Vereinbarung zur Weiterentwicklung der Aus- und Weiterbildung im Rahmen der Thüringer Aus-bildungsinitiative wurde ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Aus- und Weiterbildung im Handwerk vollzogen.

Gebühren- und Abgabenlast

Die Gebühren-, Beitrag- und Abgabenlast der ansässigen Unternehmen muss gesenkt werden, mit dem Ziel, Standortvorteile für bestehende und für neue Unternehmen zu schaffen. Das Thüringer Handwerk fordert Erleichterungen dur
ch Kleinbetriebs- und Kleinmengenregelungen, insbesondere bei den auf Großunternehmen ausgerichteten Vorschriften im Rahmen der Abwasser-, Abfall- sowie Energiepolitik.

Öffentliche Auftragsvergabe / Vergabe-Mittelstandsrichtlinie

Angesichts des Zusammenbruchs des Marktes in der Bauwirtschaft und vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Osterweiterung der Europäischen Union fordert der Thüringer Handwerkstag e.V. Maßnahmen, die einen ausgewogenen Wettbewerb zwischen den Anbietern im öffentlichen Auftragswesen gewährleisten. Hierzu gehören in erster Linie die strikte Einhaltung der VOB und VOL sowie angemessene Angebots- und Ausführungsfristen. Unverzichtbar ist der absolute Vorrang der Fach- und Teillosvergabe und eine strikte Wahrnehmung der Angebotsprüfungs- und Aufklärungspflicht der öffentlichen Auftraggeber. Nach wie vor muss festgestellt werden, dass die bestehende Vergabe-Mittelstandsrichtlinie seitens der kommunalen Auftraggeber nicht umgesetzt wird. Das Thüringer Handwerk fordert daher erneut, den Einfluss des Landes auf die Kommunen zu verstärken.
Qualifizierungs- und Beschäftigungsförderungsgesellschaften dürfen wegen der Wettbewerbsbenachteiligung der mittelständischen Bauwirtschaft nicht bei der öffentlichen Vergabe von Bauleistungen berücksichtigt werden. Bei der Vergabe sollte zukünftig nicht das billigste Angebot den Zuschlag erhalten, sondern es sollte eine Vergabe auf der Basis des Mittelpreisverfahrens erfolgen. Das bedeutet, dass der teuerste und der billigste Anbieter nicht gewertet wird und derjenige den Auftrag erhält, der dem arithmetischen Mittel am nächsten liegt. Dies wird zu einer Preisberuhigung führen.

Forderungsausfälle / Liquidität

Im Rahmen der Gesetzesinitiative „Bauunternehmersicherungsgesetz“ der Landesregierung sind die langjährigen Forderungen des Handwerks nach einem besseren Schutz der Auftragnehmer im Baugewerbe durch den aufgenommenen erweiterten Eigentumsvorbehalt mit Herausgabeanspruch eingebauter Materialien und dem Pfandrecht des Subunternehmers gegenüber dem Generalunternehmer an dessen Forderungen gegen den Besteller in wichtigen Punkten umgesetzt. Darüber hinaus ist eine zwingende Auftraggeberbürgschaft in das Gesetz einzuarbeiten.
Die Liquidität der Handwerksbetriebe dürfte mit dem neuen „Gesetz zur Eindämmung der illegalen Beschäftigung“ bei Nichtvorliegen einer Freistellungsbescheinigung weiter gefährdet sein. Die Erteilung einer Freistellung liegt allerdings im Ermessen der Finanzämter. Hier sind einheitliche, konkrete und nachvollziehbare Durchführungsbestimmungen dringend notwendig.

Die beschriebene Situation und die daraus abgeleiteten Aufgaben sollen Ansätze zur weiteren konstruktiven Zusammenarbeit zwischen der Thüringer Landesregierung und dem Thüringer Handwerk aufzeigen. Da eine Vielzahl der vom Thüringer Handwerkstag e. V. genannten Themen auch in die Zuständigkeit der Bundesregierung gehören, bitten wir die Landesregierung, sich für eine nachhaltige Problemlösung einzusetzen.

Forderungen des Thüringer Handwerkstages e. V. anlässlich der Mitgliederversammlung am 22. November 2001 an die Bundesregierung

Forderungen des Thüringer Handwerkstages e. V. anlässlich der Mitgliederversammlung am 22. November 2001 an die Bundesregierung

Zentrale Forderungen des Thüringer Handwerks sind bisher leider ohne politische Umsetzung auf Bundesebene geblieben.
Der Thüringer Handwerkstag e. V. fordert hiermit die Bundesregierung auf, ihrer Verantwortung zur Lösung der bereits seit Jahren anstehenden Probleme des Mittelstandes, insbesondere des Handwerks, gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang geht es schwerpunktmäßig um die umgehende Abschaffung der bestehenden mittelstandsfeindlichen gesetzlichen Regelungen bei gleichzeitiger Schaffung neuer konstruktiver Regelungen und damit mittelstandsfreundlicher Rahmenbedingungen. In diesem Sinne stellt der Thüringer Handwerkstag e. V. aus Anlass seiner Mitgliederversammlung nachdrücklich folgende Forderungen an die Bundesregierung:

  1. Im Rahmen der geplanten Neuregelung des Steuerabzugs für Bauleistungen wird der Ansatz zur Eindämmung der illegalen Beschäftigung grundsätzlich begrüßt. Die praktische Umsetzung erscheint vor dem Hintergrund fehlender Durchführungsbestimmungen fragwürdig, inbesondere besteht die Gefahr der Willkür der Finanzverwaltungen bei der Ausreichung von Freistellungsanträgen. Hier fordert das Thüringer Handwerk realitätsnahe Regelungen.

  2. Das Thüringer Handwerk fordert auf Grund zunehmender Schwarzarbeit die Möglichkeit der steuerlichen Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen des Bau- und Ausbaugewerbes für private Auftraggeber sowie die Ein-führung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf lohnintensive Dienstleistungen.

  3. Die 80-prozentige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist wieder einzuführen.

  4. Das Thüringer Handwerk fordert die Rücknahme der Reform des Kündigungsschutzgesetzes.

  5. Die zweite Stufe der Unternehmenssteuerreform ist vorzuziehen.

  6. Mit Blick auf die gesetzlichen Sozialabgaben fordert das Thüringer Handwerk eine Senkung der Lohnzu-satzkosten auf unter 40 Prozent.

  7. Das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen ist dringend um die Punkte Auftraggeberbürgschaft und erweiterter Eigentumsvorbehalt mit Herausgabeanspruch eingebauter Materialien zu ergänzen.

  8. Die Investitionszulage muss, der aktuellen Wirtschaftslage geschuldet, für das gesamte Handwerk unverändert fortgeführt werden. Die geplante Einschränkung der Investitionszulage ab 2002 bedeutet eine Ungleichbehandlung des Handwerks gegenüber dem „Verarbeitenden Gewerbe“.

  9. Die Kernaussage des geplanten Tariftreuegesetzes, den Tariflohn an den Ort der Arbeit festzuschreiben, wird vom Thüringer Handwerk abgelehnt. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, in der Wirtschaft umsetzbare Regelungen zur Bekämpfung von Dumping und illegaler Beschäftigung zu schaffen.

  10. Der Thüringer Handwerkstag e. V. fordert die Stärkung der Kommunalfinanzen, um so die gesunkenen Finanzmittel der Kommunen zu kompensieren.

  11. Die Reform der Krankenversicherung mit einer gesetzlichen Mindestversicherung und einer freiwilligen beitrags-abhängigen Zusatzversorgung ist dringend notwendig, um die gesetzliche Krankenversicherung auf Dauer zu sichern.

  12. Im Rahmen der Sozialpolitik ist die Schaffung einer generationsgerechten Rentenreform eine Schwerpunktaufgabe. Das Ziel muss die dauerhafte Begrenzung des Beitragssatzes unter 20 Prozent sein.

  13. Die bewährte Förderung des organisationseigenen Beratungswesens mit Bundesmitteln ist in Anbetracht des bestehenden Beratungsbedarfes auf hohem Niveau fortzusetzen.

  14. Das Thüringer Handwerk fordert uneingeschränkt den Erhalt des „Großen Befähigungsnachweises“ als Voraussetzung für die Selbstständigkeit im Handwerk und als Garant für fachliche Kompetenz und Ausbildungskompetenz. Eine allgemeine Einführung des berufsbegleitenden Erwerbs des Meisterbriefes wird abgelehnt.

  15. Zur Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für eine qualitativ hochwertige Berufsausbildung sind die Berufsbildungs- und Technologiezentren unverändert auch zukünftig mit einer 90-prozentigen Bezuschussung bei deren Errichtung und Erhalt zu fördern.

Forderungen anlässlich der Mitgliederversammlung des Thüringer Handwerkstages e. V. am 22. November 2001 zur Verbesserung der Finanzierungsbedingungen für das Handwerk

Forderungen anlässlich der Mitgliederversammlung des Thüringer Handwerkstages e. V. am 22. November 2001 zur Verbesserung der Finanzierungsbedingungen für das Handwerk

In den vergangenen Monaten und Jahren kristallisierte sich heraus, dass sich die Finanzierungsmöglichkeiten für das Handwerk zunehmend verschlechtern. Deshalb fordert der Thüringer Handwerkstag e. V. die Verantwortlichen auf, auf diesen Gebieten tätig zu werden.

1. Kreditvergabepraxis
Um die Entwicklungsmöglichkeiten in den Handwerksbetrieben weiter zu gewährleisten, sind eine solide Finanzierungsbasis und entsprechende Finanzierungsangebote die Grundvoraussetzung. Der anhaltende Konzentrationsprozess im Bankensektor, verbunden mit dem Rückzug der Kreditinstitute aus der Fläche sowie die Konzentration auf das großvolumige Kreditgeschäft trägt dazu bei, viele Handwerksbetriebe zu verunsichern. Der Thüringer Handwerkstag e. V. fordert von den Kreditinstituten verlässliche Finanzierungsmöglichkeiten zu fairen Konditionen für das Handwerk.

2. Basel II
Gerade in dem Zusammenhang, dass das Handwerk sehr stark durch eine Fremdfinanzierung geprägt ist, befürchtet das Thüringer Handwerk infolge der Umsetzung der Baseler Beschlüsse eine deutliche Verschlechterung der Finanzierungsmöglichkeiten für Handwerksbetriebe. Gefordert wird daher von allen Verantwortlichen, dass für diesen Bereich eine verträgliche Lösung gefunden werden muss, damit sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht weiter verschlechtern. Für die Betriebe dürfen keine zusätzlichen Kapazitäts- und Kostenbelastungen entstehen. Gleichzeitig müssen Lösungen für ein vereinfachtes Verfahren für Personenunternehmen gefunden werden.

3. Stärkung der Kommunalfinanzen /Verbesserung der Infrastruktur
Auf Grund der immer schlechter werdenden Haushaltslage vieler Kommunen und Kreise wird das Budget für Bauinvestitionen stets geringer. Vor diesem Hintergrund fordert der Thüringer Handwerkstag e. V. eine Stärkung der Kommunalfinanzen.
Der Thüringer Handwerkstag e. V. begrüßt die geplante Fortsetzung des Programms „Stadtumbau Ost“ und somit die Bestandserhaltung und Modernisierung des Wohnungsbestandes. Hieraus ergeben sich die dringend erforderlichen Impulse für das Baugewerbe. Ebenfalls begrüßt der Thüringer Handwerkstag e. V. das vom Thüringer Ministerpräsidenten vorgeschlagene „Sonderprogramm Ost“. Dieses Programm setzt gezielt im infrastrukturellen Bereich an und umfasst für den Zeitraum 2001 bis 2004 ein Volumen von insgesamt 40 Milliarden Mark.
Das mit diesem Vorschlag eingereichte Finanzierungsmodell findet die Zustimmung des Thüringer Handwerks.

4. Investitionsförderung
Die Investitionsförderung ist noch über einen längeren Zeitraum unverzichtbar, um die teilungsbedingten Nachteile abzubauen.
Der Thüringer Handwerkstag e. V. fordert die Landesregierung auf, sich für die Fortführung der Investitionszulage für das gesamte Handwerk und somit für eine Gleichstellung mit dem verarbeitenden Gewerbe einzusetzen. Die Einstellung der Investitionszulage für die Mehrzahl der Handwerksbetriebe würde den Trend einer konjunkturell bedingten rückläufigen Investitionstätigkeit nur weiter verstärken.

Mitgliederversammlung des Thüringer Handwerkstages e. V. am 22. November 2001, Dorint Hotel Gera

Mitgliederversammlung des Thüringer Handwerkstages e. V.
am 22. November 2001, Dorint Hotel Gera

Ansprache des Präsidenten

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Seit Gründung des Thüringer Handwerkstages e. V. vor fast zehn Jahren hat das Handwerk in Thüringen eine Stimme. Den Kritikern kann ich gleich sagen: sicher ist die eine Stimme auch öfter mal ein gemischter Chor, das ist eben die Vielfalt des Handwerks. Wenn aber dieser Chor gemeinsam den Kammerton „a“ singt, ich glaube schon – dann ist das wieder diese eine Stimme. Und ich möchte heute und hier diese Stimme des Handwerks Ihnen vortragen. Denn eines ist wohl schon in den Jahren unseres Bestehens deutlich geworden: das Wort „Thüringer Handwerkstag e. V.“ ist kein Name, der Thüringer Handwerkstag e. V. – das ist ein Programm. Zu jedem Parlamentarischen Abend, zu jeder Mitgliederversammlung haben wir im Handwerk gesagt, was wir denken, was wir tun, was wir vom Leben erwarten, aber auch – was man von uns erwarten kann!

Und deshalb finden wir es im Handwerk gut, dass wir dies alles mit Ihnen, sehr geehrte Gäste, aber besonders mit Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, besprechen können. Miteinander reden, vielleicht sogar mal streiten, ist das richtige Rezept, um Lösungen zu erreichen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind Handwerker, wir sind überall im Land zu Hause, jeder hat seinen kleinen Einzugsbereich. Da steht doch die Frage: müssen wir das Wort Globalisierung eigentlich buchstabieren können? Geht die große Politik nicht an uns vorbei? Die Antwort ist klar, ein Wort: nein! Und ich beginne mit einem Datum: 11. September 2001. Uns im Handwerk fehlen – wie überall in der Welt bei redlichen Leuten, uns fehlen immer noch die Worte, um das Geschehene zu beschreiben.

„Nichts wird mehr so sein, wie es mal war.“ – wir alle kennen diesen meist gebrauchten Satz nach der Katastrophenmeldung. Er wird auch vom Handwerk geteilt. Und besonders geteilt wird der Ruf zum Zusammenrücken aller Kräfte, die noch Wertevorstellungen im Leben, vom Leben haben. Wir im Handwerk gehören dazu, wenn es darum geht, neue Ideen, neue Wege, neue Gedanken zum friedlichen Miteinander auf dieser Welt zu gehen. Sicher ist der folgende Vergleich weit hergeholt, aber wir im Handwerk kennen täglich Konkurrenzsituationen am Markt mit Gegenspielern und das vereinte Leben in unseren Innungen.

Dieses – zwar winzige Leitbild – wollen wir im Handwerk nach draußen tragen, das kann und sollte auch das Bild des Zusammenlebens auf dieser Erde sein. Und da ist kein Platz für Terror und Menschenverachtung. Wir sind im Handwerk zu klein, um gute Ratschläge zu geben. Aber unsere Sympathie liegt bei allen Maßnahmen, die den Spagat schaffen, den Terror auszurotten und die Menschheit vor Angriffen jeder Art zu schützen. Das möchte ich im Auftrag des Thüringer Handwerks Ihnen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident so deutlich sagen, damit Sie als Politiker diese Meinung mitnehmen zu den Orten, in die Gremien, wo derartige Entscheidungen getroffen werden.
Uns bewegen im Handwerk viele Gedanken, aber diese Gedanken von den Grundwerten des menschlichen Lebens, die wollte und musste ich voranstellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wo stehen wir, wie geht es weiter. Eine Binsenweisheit gilt: neue Anforderungen erwarten neue Antworten. Welches sind die Anforderungen? Welche neuen Antworten gibt es? Zwei Begriffe sind in diesem Zusammenhang zu nennen: Freiheit und Sicherheit. Diese Worte sind die zwei Seiten einer Medaille. Ich möchte hier eine philosophische Weisheit, die Altkanzler Helmut Schmidt oft gebraucht hat, nennen: „Wir verlangen, dass der Staat die Freiheit im gewissen Maße einschränkt, damit jeder seine Freiheit erhält.“ Und wenn wir dies uns auf der Zunge zergehen lassen, dann ist das sicher die Richtung, in die wir denken müssen. Wir müssen von unserer Bundesregierung eines fordern: Investitionen in die Sicherheit sind Investitionen in die Freiheit. Und es muss wohl möglich sein, einen Teil unseres Wohlstandes für die äußere und innere Sicherheit einzusetzen.
Wer sich der Politik verschrieben hat, wer glaubt, hier Staubwischen zu müssen, der muss diese Probleme auch angehen und beherrschen. Das fordern wir – und ich sage es auch: das fordern wir mit Recht! Vielleicht hat jetzt der eine oder andere die Frage: was plustert sich denn das Handwerk hier auf. Und ich antworte ganz deutlich: Wir fühlen uns als Handwerker hier nicht unterbelichtet, wir sehen schon unsere kleinen Kreise, wir wissen aber auch, dass wir in den großen Kreisen eingebettet sind. Deshalb empfinden wir – als Wirtschaftsgruppe, es als unsere Pflicht, unser Gedankengut hier mit einzubringen. Es geht uns ja auch direkt mit an. Sehen Sie doch nur das Stichwort Europa. Die EU-Osterweiterung steht vor der Tür. Sie ist für uns Chance und Risiko zugleich. Und es ist nicht leicht, diese beiden Seiten sorgfältig zu unterscheiden.

Schnell kann eine Einschätzung sich in das Gegenteil umwandeln. Wir im Handwerk sind für den Gedanken des vereinten Europas. Diesen Standpunkt haben wir stets deutlich gemacht. Er rührt ja auch aus unseren Wurzeln des Selbstverständnisses her. Aus der Walz, aus der offenen Betrachtung der Welt. Aber – wir müssen die Großwetterlage der heutigen Zeit sehen. Chancen und Risiken sind nicht gleich verteilt. Trotzdem voranstellen möchten wir ganz klar, dass die EU-Osterweiterung ein überaus wichtiger Schritt für die Dauer-haftigkeit der politischen Stabilität in Europa ist. Und das dürfte, nein – das muss für uns es wert sein, hier einen Einsatz zu zeigen. Gewiss, es wird noch Jahrzehnte enorme wirtschaftliche und soziale Entwicklungsunterschiede geben. Die Umwälzungen gibt es nicht nur bei den Beitrittsländern. Sie wird es auch bei uns geben! Und die Risiken treffen uns kleine Betriebe – aufgrund der Kostenstrukturen – am härtesten.

Das macht uns schon große Sorgen. Deshalb fordern wir sehr deutlich: es darf nur eine geregelte Integration geben. Das Wort „der Markt wird es schon regeln“, dieses Wort gilt hier nicht. Das ist unsere Auffassung im Handwerk und ich bitte unsere Politiker, diese Aussage sehr ernst zu nehmen. Es darf nicht dazu kommen, dass wir hier in Thüringen zu den Zahlern gehören und uns dann noch im Status eines Transitlandes befinden. Nichts wäre schlimmer, als wenn wir in Thüringen das Loch in der Schallplatte sind und die Musik spielt drumherum.

Deswegen sind hier unsere Forderungen:
1. Aufstellung hinreichend langer Übergangsfristen und
2. Schaffung von Öffnungsklauseln entsprechend der jeweiligen nationalen Arbeitsmarktlagen.

Ich weiß, dass mich jetzt nicht nur einige Politiker anschauen, sondern auch meine eigenen Handwerkskollegen. Aber es ist die Zeit reif: wir im Handwerk müssen Unternehmenskontakte zu unseren Handwerkskollegen in den Beitrittsländern herstellen, wir müssen uns um geförderte unternehmerische Investitionen im Beitrittsgebiet kümmern und wir müssen Partnerschaften zwischen den Wirtschaftsorganisationen bilden. Nichts kommt von allein – bewegen müssen wir uns schon. Dass aber gerade wir im Handwerk hierbei die Unterstützung unseres Landes brauchen, möchte ich hier ausdrücklich betonen und nicht als Nachsatz verstanden wissen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Sie sind von den Ausführungen des Präsidenten des Thüringer Handwerkstages e. V. in der Vergangenheit verwöhnt worden, einen ganzen Strauß von Forderungen, Wünschen und Vorschlägen hören zu können. Ich möchte Sie da heute nicht enttäuschen, hielt es aber trotzdem für wichtig, diese globale Umfeldausleuchtung voranzustellen. Damit bin ich dann automatisch in die Bewertung der Bundespolitik gekommen. Damit ich nicht falsch verstanden werde: wir im Handwerk sind nicht die Bewerter, das soll jeder für sich als Wähler entscheiden. Wir stellen aber das Rückkopplungsorgan dar, denn wir merken am deutlichsten, was so in hoher Position gemacht – oder eben auch nicht gemacht wird. Jeder, der a
lt genug ist, kennt noch den Radiotyp mit der Rückkopplung. Wenn man sie aufdrehte, kam das große Pfeifen. Und wir im Handwerk, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir pfeifen schon lange! Und das nicht aus Wollust sondern aus wirtschaftlichem Schmerz.
„Wir sind für die neue Mitte“ – sind die Worte noch bekannt? Viele glaubten auch, neue Mitte zu sein. Das war offenbar eine Fehlinterpretation. Wer bei der alten Mitte war, wer also bei seinen Leisten blieb, der war sowieso nicht gemeint, jedenfalls kommt uns das im Handwerk so vor. Heute ist das Zauberwort der „neuen Mitte“ nicht mehr aktuell, zur Zeit läuft ja noch kein echter Wahlkampf. Heute heißt das Zauberwort: Politik der ruhigen Hand. Vor einigen Jahren hat man das mit dem Wort „aussitzen“ übersetzt. In der Wirkung für den Mittelstand ist beides nicht nur ernüchternd, es ist destruktiv. Wer mit offenen Augen durch unsere Bundesrepublik geht, der erkennt sofort: Mittelstandspolitik ist in Berlin vom Inhalt nicht bekannt. Da gibt es den Schmusekurs zur Großindustrie und zu den Gewerkschaften. Der Mittelstand ist doch nur bekannt, wenn es darum geht, ihm in die Taschen zu greifen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Schwarz-Weiß-Malerei ist im Handwerk nicht zu Hause. Wir sind viel zu farbig, als dass wir das überhaupt könnten. Aber – womit wir im Handwerk konfrontiert werden, dass sind wohl nur Extreme. Bevor ich hier unsere ureigensten Dinge nenne, noch ein paar Worte zur Großwetterlage. Deutschland hat es erneut geschafft, in der Liste der wettbewerbsfähigsten Länder der Welt einen weiteren Platz nach unten zu rutschen. Nun sind wir auf Platz 12 gerutscht, vor uns ist Australien, hinter uns Island. Das wundert doch gar nicht. Nach einer IMD-Veröffentlichung ergibt sich, dass unsere Bundesrepublik über die ausgefeiltesten Bremssysteme für eine Wirtschaftsentwicklung verfügt. Man hat 49 Länder untersucht. Und wo steht Deutschland unter diesen 49 Ländern?
z. B. Steuerbelastung von Unternehmen: Rang 49
oder hohe Unterstützung für Arbeitslose: Rang 47
oder Verfügbarkeit von IT-Spezialisten: Rang 46
oder Arbeitsmarktgesetzgebung: Rang 40

So sehen uns die Weltspezialisten. Wir im Handwerk sind keine Weltspezialisten. Trotzdem gab es stets einen Aufschrei von uns, wenn unsere Bundesregierung das nächste Überraschungsei auspackte. Lassen Sie mich einfach mal ein paar Dinge aufzählen, die direkt lähmend für die Mittelstandsentwicklung sind:
– 100 % Lohnfortzahlung im Krankheitsfall,
– Kündigungsschutzgesetzgebung,
– Scheinselbstständigkeit,
– Teilzeitanspruch.

Dazu kommt gleich noch die Ökosteuer, die sogenannte Unternehmenssteuerreform, die Rentenreform – alles lahme Krieger. Und als Krönung die Änderung im Betriebsverfassungsgesetz. Und wenn es wirklich mal um ein Gesetz für uns geht, für uns im Mittelstand, im Handwerk, wie das berühmt-berüchtigte „Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen“, dann werden diesem Tiger die Zähne einzeln herausgezogen! Wer jetzt sagt, ich übertreibe, dem muss ich sagen, er sei wirtschaftsfremd. Die Experten, die an grünen Tischen in mühevoller Kleinarbeit diese gesetzlichen Bremsklötze konstruieren, brauchten nur mal eine Woche in unsere Betriebe zu kommen. Ich lade herzlich dazu ein. Es ist unwahrscheinlich, wie man Unternehmergeist knebeln und Gründertum unterbinden kann. Das ganze hat doch seinen Ausdruck in der hohen effektiven Abgabenbelastung. Und ich sage es klar – diese Abgabenlast in Deutschland hält die Menschen von der Abeitsaufnahme ab. Schauen wir doch auf die deutschen Arbeitsmarktregeln: zu starr, zu bürokratisch, zu kostspielig. So sieht uns die Welt – nur unsere Berliner Politiker sehen das nicht. Eigentlich ein Kuriosum.

Und wenn wir jetzt noch die Ergebnisse der Wirtschaftsweisen sehen – man könnte glatt auswandern. Die Großen machen es ja auch so, wir Kleinen aber nicht. Wir können es nicht und wir wollen es nicht. Handwerk ist bodenständig, Handwerk hat seinen Markt in der Heimat, Heimatgefühl hat im Handwerk einen Stellenwert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Eigentlich kann es doch mit der Politik, mit dem Mittelstand, mit dem Handwerk so nicht weitergehen. Wir haben unsere Forderungen zur Umsteuerung in der Wirtschaftspolitik heute hier auf einem Blatt zusammen gefasst. Sie haben dieses Papier in Ihren Tagungsunterlagen. Das ist unsere Meinung zu der Wirtschafts-politik, die uns lähmt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wir haben heute auch alle Bundestagsabgeordneten eingeladen. Wir sind auch froh, dass unsere Einladung teilweise aufgenommen wurde. Terminlich liegen wir zwar so, dass jeder mal in die Heimat kommen könnte, aber es ist wie immer: die Treuesten sind da. Sehr geehrte Bundestagsabgeordnete, bitte nehmen Sie dieses Papier mit. Betrachten Sie es als das, was es ist: es sind die Hausaufgaben, es ist der Wählerauftrag. Wir werden allen Thüringer Bundestagsabgeordneten diese Arbeitsaufgaben nachsenden. Und wenn die Antwort kommt wie „geht nicht“, „viel zu teuer“, „hat alles keinen Zweck“, denen können wir vom Handwerk ironisch sagen: wir haben auch noch einen Koffer in Berlin, voller Argumente! Aber die brauchen wir nicht, wir wollen Taten sehen. Es kann sich ja jeder Abgeordnete mit einer leichten Frage mal überprüfen. Bitte fragen Sie sich selbst: Wann war ich in der Handwerkskammer oder in der Kreishandwerkerschaft oder bei der Innung meines Wahlkreises in den letzten Jahren? Wann war ich da und habe mir das Wort aus der Heimat geholt? Wann – wie oft? Und damit nicht einer hier im Saal auf den Gedanken kommt, ich sei einseitig ausgerichtet, so frage ich doch auch glatt unsere Landesin-nungsmeister, unsere Obermeister, unsere Kammervorstände: wann haben Sie unsere Bundestagsabgeordneten zu sich eingeladen? Wie oft haben Sie das heimatliche Schulungsseminar über den Istzustand den Bundestagsabgeordneten verabfolgt? Ich möchte hier keine Watschenspiele betreiben, aber wir müssen uns schon ehrlich in die Augen sehen, uns offen begegnen und uns diese Fragen stellen. Vorhin, im Geschäftsbericht des Thüringer Handwerkstages e. V. hat uns unser Geschäftsführer die Zahlen gesagt, welche Reaktionen wir auf unsere bisherigen Briefe nach Berlin erhalten haben. Ich möchte hier den Betroffenen die Schmach ersparen. Also – seien wir ehrlich zueinander und gehen das Problem an. Wir brauchen Lösungen zu den Fragen der Zeit. Da sind die jetzigen politischen und wirtschaftlichen Antworten doch geradezu der Irrweg, wenn man bedenkt „wir tanken für die Rente“ oder „wir rauchen für die Sicherheit“. Das haben wir uns unter Politik für eine neue Mitte nicht vorgestellt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, Sie haben die Meinung des Thüringer Handwerks zu den brennenden Politikfragen gehört. Und ich muss es immer wieder sagen: wir Handwerker klagen nicht, wir klagen an! Und das aus der gesellschaftlichen Verantwortung für das Gemeinwohl. Natürlich geht es dann bei Erfüllung unserer Forderungen auch unseren Betrieben gut – das ist doch Ziel der Übung! Und wenn es unseren Betrieben gut geht, geht es auch uns gut, und es geht auch unseren Gesellen und Lehrlingen gut. Was uns bei politischen Entscheidungen zu Sachfragen so fuchsig macht, ist doch allein die Tatsache, dass die Differenz zwischen Sachentscheidung und Machtgier nur wenige Millimeter beträgt. Wie schnell Sachentscheidungen zu Machtentscheidungen werden, haben wir ja jetzt erst exzellent vorgeführt bekommen. Da wir das in unserem Selbstverständnis in unseren Betrieben nicht haben, deshalb reagieren wir so harsch an dieser Stelle.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wenn wir im Handwerk uns in unserem Land Thüringen richtig wiederfinden wollen, dann musste ich die Großwetterlage der Bundespolitik aufgreifen. Hier werden die großen Rahmenbedingungen geschaffen. Und wie schnell das durchschlägt auf uns haben wir ja bei der ICE-Trasse Nürnberg-Erfurt-Berlin gesehen. Wie schnell aus Ansätzen für blühende Landschaften Investruinen entstehen können, die wohl jetzt wieder aktiviert werden, das war do
ch ein Paradebeispiel dafür. Dass dabei auf Ebene der Länder durch Streitereien Steilvorlagen nach Berlin gegeben wurden, war so überflüssig wie ein Kropf. Aber Sie sehen, wir können nicht die Situation in unseren Gärtchen liebevoll betrachten, wenn wir nicht das Wetter am Horizont beachten. Aber mit dieser Betrachtung bin ich bei der Landespolitik angekommen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident. Auch hier haben wir im Handwerk eine Rückkopplung für Sie. Unser erster Präsident hat in einer Rede mal gesagt: nutzen Sie, Herr Ministerpräsident, das Handwerk als Seismograph. Und wir wissen, dass Sie das so tun. Ich darf das noch mal deutlich sagen, insbesondere in Richtung meiner Handwerkskollegen: wir in Thüringen haben mit unserem Ministerpräsidenten einen großen Glücksfall für die Wirtschaft, weil Wissen um die Dinge und Kontakt zum Handwerk festgeschriebene Linien seiner Handlungsphilosophie sind. Das sage ich nicht, um zu gefallen, das sage ich einfach, weil es wahr ist. Und was wahr ist, muss wahr bleiben.

Aber, Herr Ministerpräsident, ich verrate auch kein Geheimnis, dass unter meinen Handwerkskollegen auch die Frage aufkommt, ob eine Alleinregierung – wenn ich das mal so nennen darf – auch stets das Koordinatensystem eingenordet hat. Meine Kollegen sagen das zwar ein bisschen anders, ich will es aber mal in diese Formulierung packen. Darüber nachzudenken im Kabinett kann ja wohl kein Fehler sein.

Sehr geehrte Damen und Herren!
Eines ist neu in dieser Bundesrepublik Deutschland und das haben wir in Thüringen: eine Vereinbarung zwischen Landesregierung und Thüringer Handwerkstag e. V. Das ist ein Willensbekenntnis zur Gemeinsamkeit, das wirklich einen hohen Stellenwert hat. Jedenfalls schätzen wir das im Handwerk so ein, und dafür sind wir auch unserem Ministerpräsidenten dankbar. Es gibt immer Kritiker in unseren eigenen Reihen, die fragen so einfach dahin: was hat uns das alles gebracht. Die Frage ist gut, weil sie zeigt, dass der Fragende weiß, dass es eine Vereinbarung gibt. Die Frage ist schlecht, weil sie zeigt, dass der Fragende sich damit nicht ausreichend beschäftigt hat. Ich möchte deshalb noch mal den Grundsatz sagen: diese Vereinbarung ist ein Willensbekenntnis zum Handeln. Es ersetzt aber kein Handeln! Bewegen muss man sich schon. Und zwar jede Seite. Auch wir. Deshalb ist es wichtig, die Bilanz zu ziehen. Erinnern Sie sich. Wenn Sie die Tagungsmaterialien vom letzten Jahr in Suhl noch zur Hand haben, können Sie eine Bilanz nachlesen. Und wenn Sie heute die Mappe aufschlagen, können Sie wieder eine Bilanz nachlesen. Wir haben uns wieder die Frage gestellt, was haben wir mit der Vereinbarung gemacht, welches sind die Ergebnisse. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister sind wir die einzelnen Posten durchgegangen. Wir haben aufgeschrieben, was erreicht wurde, wo wir stehen. Das müssen wir einfach erst einmal zur Kenntnis nehmen. Und wir müssen uns selbst die Frage stellen, was haben wir eingebracht, sowohl an Aufgaben als auch an Lösungen. Ich empfehle, die Seiten, die Papiere in Ihrer Tagungsmappe dann zu Hause oder in der Versammlung unserer Handwerksorganisation kritisch zu wichten. Und wir sollten nicht nur die Frage stellen, wo und wie hat das Land Fördermittel gegeben. Das wäre primitiv. Wir sollten uns fragen, wo wir welche Aktivitäten geleistet haben, und zwar auf beiden Seiten – Soll und Haben! Wir müssen gemeinsam suchen, wo es Fehler gibt, wo wir als Handwerker aktiv werden können und wo wir unseren Vereinbarungspartner animieren können. Bei allen müssen wir aber stets auseinanderhalten: sind es Bundesangelegenheiten oder sind es Landesangelegenheiten. Denn wenn es um Landesdinge geht, da sind wir schon gefragt. Da werden wir auch gefragt. Allen, denen es nicht so aufgefallen ist, möchte ich unsere Stellung bei der Arbeit der Enquete-Kommission des Thüringer Landtages zum Thema „Wirt-schaftsförderung in Thüringen“ in Erinnerung rufen. Die Kommission hat sich auch Sachverständige berufen, und damit auch den Sachverstand des Handwerks. Unser erster Präsident war auf der Sachverständigenseite. Gewiss, ich möchte nicht verhehlen, dass wir vom Handwerk es nicht leicht hatten, selbst bei der landeseigenen Kommission uns genügend wiederzufinden im Abschlusspapier. Vielleicht waren wir auch zu anspruchsvoll – was ich nicht glaube. Aber letztlich ist unsere Meinung eingeflossen. Und da es unter anderem auch um das liebe Geld ging, haben wir unseren Standpunkt, der auch im Kommissionspapier zu finden ist, heute noch mal zusammengefasst als Forderungspapier in unseren Tagungsunterlagen. Da ich gerade vom Geld sprach: es ist so, wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: die Finanzausstattung unserer Unternehmen ist zu gering. Da denke ich natürlich erst mal an den Bau, denn 60 % unserer Handwerksbetriebe in Thüringen haben mit dem Bau zu tun bzw. sind mit ihm verbunden. Ich denke aber auch an die 40 % der anderen Gewerke, wo bezüglich Geld Schmalhans Küchenmeister ist. Es ist doch nicht so, dass wir die Konten gefüllt haben wollen, es ist doch nur so, dass wir genügend Liquidität in unseren Betrieben zum einfachen Leben und Arbeiten benötigen. Deshalb geht unsere Forderung ja auch in Richtung der Banken, nicht nur für sich da zu sein, nach dem Motto „her mit jeder Mark“. Es geht darum, für uns kleine und mittlere Betriebe da zu sein, in der Fläche da zu sein und mit Programmen da zu sein, die bezahlbar sind. Dass man sich Gedanken machen kann in dieser Grundrichtung zum Geld zeigt doch unsere Landesregierung. Die Initiative unseres Justizministers in der Bundesratsinitiative zum „Unternehmer – Sicherungsgesetz“ ist ein deutliches Beispiel

a) für das Aufnehmen von unseren Forderungen durch die Landespolitik und
b) für die Bemühungen der Landespolitik zur Umsetzung unserer vorhin genannten Vereinbarung.

Das muss man sehen und würdigen.
Natürlich ist noch mehr notwendig. Was nützt uns die vom Wirtschaftsminister herausgegebene Vergaberichtlinie, wenn sich die Kommunen nicht daran halten! Hier gehört Druck hinein, und das über unsere Landesregierung, damit jeder Bürgermeister erkennt, dass er nicht nur für seine Gemeinde optimieren muss, sonder dass stets ein Stück Verantwortung für das Gemeinwohl dabei ist. Auch die Frage der Kommunalabgaben ist längst nicht geklärt. Hier stehen die Stichworte Transparenz und Gebührengerechtigkeit an oberster Stelle. Und weil das Landessache ist, steht hier die Frage, warum das noch nicht in der richtigen Form ist. Unsere Beamten in den Behörden müssten doch die Lösung mal greifbar haben.

Und wenn wir schon über die Kommunen reden, dann kommt sofort unsere Forderung erneut: strikte Eindämmung der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen. Das passt nicht in unsere Zeit. Gewiss haben wir im Handwerk mit unseren Kommunen darüber schon gesprochen. Die Sorgen und Nöte sind uns bekannt. Aber die Ursachen müssen angegangen werden. Es hat noch nie geklappt, einen Fehler mit einem anderen Fehler kompensieren zu wollen. Also bleibt es dabei: wirtschaftliche Betätigung gehört in die Wirtschaft – nicht in die Kommunen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es gehört noch etwas in die Wirtschaft. Es ist die Ausbildung. Das Handwerk hat sich dieser Aufgabe stets angenommen. Bedenken Sie: fast 40 % aller Auszubildenden lernen im Handwerk. Natürlich haben wir eine angespannte Situation: viele Schulabgänger – schlechte Wirtschaftslage in den Betrieben. Die demographische Umordnung kommt. Ich kann nur jedem Handwerker empfehlen: Ausbildung – jetzt! Aber ich stehe mittendrin im Handwerk und weiß, was los ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir in Thüringen haben in den letzten zwei Jahren über 2000 Ausbildungsbetriebe durch den wirtschaftlichen Niedergang verloren! Lassen Sie diese Zahl auf sich wirken und lassen Sie die Zahl der Lehrstellen im Jahr 2001 auf sich wirken.
Dann wissen Sie, welche gewaltigen Anstrengungen unternommen werden im Handwerk und welche gewaltige Leistung im Handwerk vollbracht wird. Da führen dann die Anwürfe, die Wirtschaft würde ni
cht ausbilden, zur Selbstdisqualifikation derer, die das sagen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Frage stellen. Die Frage lautet: Handwerk – Quo vadis, Handwerk wohin gehst du? Wenn man die vielen Dinge sieht, die dem Handwerk mit eisigem Wind ins Gesicht wehen, da kommt schon die Berechtigung dieser Frage. Ich kann nur alle Verantwortungsträger auffordern, darüber nachzudenken. Wird das Handwerk geopfert im politischen Kleinkrieg, im Machtgerangel von denen, die auch für das Handwerk da sein sollten? Oder wird das Handwerk das Opferlamm für Europa auf dem Altar der Liberalisierung?

Viele Fragen, die ich in Richtung derer stelle, die hier Verantwortung tragen.
Ich gebe mir – für mich – die Antwort, dass es – solange es Menschen gibt, die Lebensbedürfnisse haben – auch Handwerk geben wird. Bloß – welche Lebensbedürfnisse in der Zukunft durch Handwerk noch befriedigt werden können, wenn es so weiter geht – das bleibt auch für mich offen.

Mit diesem Nachdenken über unsere gemeinsame Zukunft möchte ich jedermann aufrütteln, Zukunftsvisionen für uns alle zu entwickeln. Ich lade Sie und uns zu diesem Denkprozess gern ein. Damit möchte ich meine Ausführungen schließen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Es gilt das gesprochene Wort.
Sperrfrist: Redebeginn