Mitgliederversammlung des Thüringer Handwerkstages e.V. im Congress Centrum Suhl am Donnerstag, 4. November 2004
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– Die Rede des Präsidenten
– Das Positionspapier
– Das Thüringer Handwerk in Zahlen
Pressemitteilungen:
– Ergebnis der Wahl des Präsidenten, des Vizepräsidenten und des Vorstandes
– Aktuelle Handwerkskonjunktur
– Novellierung der Handwerksordnung
– Reformen und Hartz IV
– Landespolitik: Dialog vor Entscheidungen
– Ausbildung
Ergebnis der Wahl des Präsidenten, des Vizepräsidenten und des Vorstandes
Wahl des Vorstandes des Thüringer Handwerkstages e.V. – Ostermann als Präsident bestätigt
Die Mitglieder des Thüringer Handwerkstages haben in der turnusmäßig anstehenden Wahl den bisherigen Vorstand im Amt bestätigt.
Präsident:
Rolf Ostermann
(Präsident der Handwerkskammer Erfurt)
Vizepräsident:
Karl-Heinz Schneider
(Landesinnungsmeister des Landesinnungsverbandes für das thüringische Dachdeckerhandwerk)
Weitere Vorstandsmitglieder:
Klaus Nützel
(Präsident der Handwerkskammer für Ostthüringen)
Henner Hartung
(Präsident der Handwerkskammer Südthüringen)
Hans-Jürgen Vogel
(Landesinnungsmeister des Landesinnungsverbandes des Kraftfahrzeughandwerks Thüringen)
Ullrich Eller
(Landesinnungsmeister des Landesinnungsverbandes des Schornsteinfegerhandwerks im Freistaat Thüringen).
Im Thüringer Handwerkstag sind die drei Handwerkskammern sowie 37 Fachverbände, Landesinnungsverbände und Landesinnungen organisiert. Damit bildet der Thüringer Handwerkstag die höchste Interessenvertretung des Handwerks im Freistaat.
Der Vorstand wird für drei Jahre gewählt.
Aktuelle Handwerkskonjunktur
Auch 2004 bleibt die Lage im Thüringer Handwerk angespannt: Die aktuell 29.440 Handwerksbetriebe, 824 mehr als zu Jahresbeginn, beschäftigten Ende September rund 141.000 Mitarbeiter, etwa 3.500 weniger als zu Jahresbeginn. Wie der Präsident des Thüringer Handwerkstages, Rolf Ostermann, anlässlich der Mitgliederversammlung in Suhl betonte, sei diese gegensätzliche Entwicklung von Betriebszuwächsen und Beschäftigtenabbau nicht weiter verwunderlich, weil sich an der grundsätzlichen Konjunkturlage nichts geändert habe. Gleich mehrere Faktoren sind dafür verantwortlich: die schwache Binnennachfrage aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und der allgemeinen Verbraucherverunsicherung, leere öffentliche Kassen sowie enormer Kostendruck aufgrund des anhaltenden Dumpingwettbewerbs in vielen Branchen. Gestiegene Energie- und Rohstoffkosten, die an die Kunden aufgrund der Marktsituation nicht weitergegeben werden können, tragen ebenfalls dazu bei, dass Umsatz- und Ertragsentwicklung im Thüringer Handwerk mehr als unbefriedigend sind.
Für das Gesamtjahr 2004 erwartet Ostermann ein weiteres Anwachsen der Betriebszahl wie einen weiteren Abbau an Beschäftigten. Die deutliche Steigerung der Betriebszahlen um 824 bis zum Stichtag 30. September wird vom THT-Präsidenten als eine Sonderentwicklung eingeschätzt, die ausschließlich auf die novellierte Handwerksordnung zurückzuführen sei.
Novellierung der Handwerksordnung
Eine Bilanz nach knapp neun Monaten zeigt deutlich, wie recht das Handwerk mit seinen Warnungen bezüglich der Auswirkungen der Novellierung der Handwerksordnung gehabt hat: Während die Eintragungen in den Anlage A-Berufen, den Berufen mit Meisterpflicht also, sowie in den handwerksähnlichen Branchen keine großen Schwankungen zu den Vorjahren aufwiesen, sind sie in den jetzt zulassungsfreien B-1-Berufen, die ohne jeglichen Kenntnisnachweis ausgeübt werden können, mit rund 11 Prozent förmlich in die Höhe geschossen. Spitzenreiter bei den Eintragungszahlen waren hier die Branchen Gebäudereiniger, Fliesen-, Platten- und Mosaikleger und Raumausstatter. Rund 70 Prozent dieser neuen Unternehmer verfügt über keine fachspezifische Ausbildung, geschweige denn einen Meisterbrief. „Für die Leistungsfähigkeit und die Dauerhaftigkeit dieser Betriebe erwarte ich wenig Gutes,“ so Ostermann. Außerdem gehe diese Entwicklung einher mit einem deutlichen Qualitätsverlust, was auch den Ruf des Handwerks insgesamt schädigen könne.
Beschäftigungseffekte hat die Novellierung der Handwerksordnung bisher ebenso wenig gebracht wie Effekte auf dem Ausbildungsmarkt. Auch hier haben sich die Erfahrungen des Handwerks bestätigt, dass Kleinstbetriebe ohne qualifizierte Leitung, wie sie die meisten Existenzgründer in der Anlage B 1 sind, weder Mitarbeiter einstellen noch selbst ausbilden.
Ostermann appellierte daher an alle Existenzgründer, sich möglichst gut vorbereitet in die Selbständigkeit zu wagen. „Eine Erfolgsgarantie ist der Meisterbrief zwar nicht. Aber er ist das bewährteste berufliche Qualitätssiegel unserer Deutschen Wirtschaft,“ gab er zu bedenken. Es sei der Meisterqualifikation zu verdanken, dass das Handwerk zu den stabilsten Wirtschaftszweigen in Deutschland zählt.
Reformen und Hartz IV
Gäbe es Noten für das öffentliche Betragen der Politiker im Bund, der THT-Präsident würde dem Großteil der Politikerklasse ein „schlechtes Betragen“ ins Klassenbuch schreiben. Der Reformstau in Deutschland, so Ostermann, habe eine seiner Ursachen darin, dass Sachthemen immerwährend zu Personalthemen würden. Er forderte die Politiker daher auf, in drängenden politischen Entscheidungsfeldern wie Steuerreform, Gesundheits-, Renten- und Arbeitsmarktreform endlich Problemerkennung und Lösungsdurchsetzung statt unendliche Streitereien zu betreiben.
Erste Signale setzt die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Das Prinzip des „Fordern und Fördern“ sei die richtige Zie
lrichtung, unterstrich Ostermann. Es dürfe bei der Umsetzung, insbesondere bei den über 6.000 in Thüringen vorgesehenen 1-Euro-Jobs, aber keine neuerliche Wettbewerbssituation entstehen. Erste Begehrlichkeiten seitens der Kommunen wurden bereits öffentlich. „Es darf nicht sein, dass wir Handwerker mit unseren Steuern und Abgaben unsere eigene Billig-Konkurrenz finanzieren.“ Hier forderte er alle Beteiligten auf, sehr sorgsam die Maßnahmen auszuwählen, in denen Arbeitslose beschäftigt werden.
Sorge bereitet dem Handwerk die stetig wachsende Staatsverschuldung, die bisher mit offenen oder verdeckten Steuererhöhungen abgemildert werden soll. Bessere Rahmenbedingungen für mehr Investitionen gibt es laut Ostermann indes nur, wenn innerhalb eines umfassenden Steuerreformpaketes Subventionen ebenso abgebaut würden wie die Steuerbelastung.
Statt beispielsweise die Eigenheimzulage – für die bauwilligen Familien hier in Thüringen und somit auch für das Thüringer Bauhandwerk eine wichtige Stütze – ersatzlos zu streichen, sollten Veränderungen beispielsweise in der Bemessungsgrundlage oder in der Einbeziehung von Aufwendungen überlegt werden. Dies könnte gleichzeitig sinnvoll Schwarzarbeit eindämmen.
Landespolitik: Dialog vor Entscheidungen
Auf landespolitischer Bühne stand die Landtagswahl und die Neuaufstellung der Landesregierung im Blickpunkt.
Der Thüringer Handwerkstag möchte auch mit der neuen Landesregierung eine gemeinsame Vereinbarung zur Entwicklung des Handwerks erarbeiten und im Frühjahr 2005 unterzeichnen.
Kritisch sieht das Thüringer Handwerk aktuelle Bestrebungen insbesondere im Wirtschaftsministerium, bewährte Beratungsangebote der Kammern künftig in landeseigene Gesellschaften wie der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) zusätzlich und damit steuersubventioniert zu installieren. Außerdem drängt der THT das Wirtschaftsministerium darauf, die Förderbreite nicht zu Gunsten nur weniger Bereiche zu verengen. Die Förderung der Überbetrieblichen Lehrgänge als direkte Unterstützung für die ausbildenden Betriebe müsse auf gleichem Niveau fortgeführt werden. Doch ebenso sei es Aufgabe des Wirtschaftsministeriums, gerade die kleinen und mittleren Betriebe des Handwerks auf der Suche nach neuen Absatzmärkten zu unterstützen. Präsentationen auf Messen im In- und Ausland seien für viele Betriebe die einzige Möglichkeit, sich neue Märkte zu erschließen. „Wenn es uns nicht gelingt, diese Betriebe durch das allgemeine Konjunkturtal hindurchzuführen und langfristig auf stabile wirtschaftliche Beine zu stellen, werden wir nicht nur Unternehmen verlieren, sondern auch ein Stück Thüringer Identität.“
Ostermann forderte Thüringens Wirtschaftsminister Jürgen Reinholz auf, nicht über die Köpfe der Handwerker hinweg Entscheidungen zu treffen. Im Dialog liege die Chance, neue Wege in der Handwerksförderung zu finden.
Ausbildung
In den Bemühungen einer qualifizierten Ausbildung der Jugend weiß das Handwerk die Landesregierung an seiner Seite. Die Unterstützung der Überbetrieblichen Lehrunterweisung ist seit Jahren kontinuierlich hoch und liegt über dem Bundesdurchschnitt. Umso wichtiger wird es in den kommenden Jahren, die Qualität aufrecht zu erhalten.
Das Thüringer Handwerk wird im Rahmen des Thüringer Paktes für Ausbildung seine anvisierten 5.100 Ausbildungsverträge beisteuern und bis Jahresende mit einer Ausbildungsquote von rund 10 Prozent (bezogen auf die Beschäftigtenzahl im Handwerk) erneut deutlich über allen anderen Wirtschaftsbereichen liegen.
Mit Stand vom 31. Oktober 2004 wurden 5.029 neue Ausbildungsverträge im Thüringer Handwerk unterzeichnet; ein Plus von 8 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Damit hat das Handwerk im Freistaat 98,6 Prozent der bis zum Jahresende anvisierten 5.100 Ausbildungsverträge erreicht.
Ostermann wies darauf hin, dass nicht ausschließlich die Ausbildungsverträge das Ausbildungsengagement des Handwerk dokumentieren. Gerade als Partner der Schulen stelle das Handwerk mit seinen vielen tausend Praktikumsbetrieben eine wichtige Basis für die berufliche Orientierung der Jugend. In diesem Jahr sollen 294 Praktikumsplätze im Rahmen der Einstiegsqualifizierung für Jugendliche (EQJ) hinzukommen. Hier erhalten Jugendliche die Chance, in sechs- bis zwölfmonatigen betrieblichen Praktika in einen Beruf hinein zu schnuppern.
Die Ausbildungssituation bleibt in diesem Jahr ähnlich schwierig wie in den Vorjahren. Dem Handwerk wird es aber aller Voraussicht nach gelingen, trotz anhaltend schwacher Konjunktur die Ausbildungszahlen zu stabilisieren. Der Appell Ostermanns ging auch zu diesem Zeitpunkt an die Betriebe, der Jugend und der eigenen Fachkräftegewinnung willen, Ausbildungsplätze bereitzustellen. Auch wenn es in diesem Jahr noch keinen Bewerberrückgang gab, in spätestens zwei Jahren werden die geburtenschwachen Jahrgänge der „Nachwende-Generation“ für deutlich weniger Schulabgänger- und somit Bewerberzahlen sorgen.
Mit dem Sinken der Bewerberzahlen in den nächsten Jahren kommen neue Herausforderungen auf das Handwerk zu. Es steht zu erwarten, dass es in einigen Branchen dann zu akutem Bewerbermangel kommt, zumal bereits heute schulische Qualifikation und Anforderung des Ausbildungsberufes auseinander klaffen. Hier ist in erster Linie das Kultusministerium mit den schulischen Partnern aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu entwickeln, um die Ausbildungstauglichkeit der Schulabgänger zu erhöhen. „Wir können es uns nicht länger leisten, unsere Schulen ideologisch zu organisieren. Auch hier muss gelten ´fordern und fördern´. Und es muss der Blick über den Tellerrand gehen. Längeres gemeinsames Lernen und eine höhere Praxisbezogenheit im Unterricht sind die Vorschläge des Handwerks.“
Eindringlich warnt das Thüringer Handwerk vor einer Zersplitterung der beruflichen Bildung. „Berufliche Bildung muss in der Hoheit des Bundes bleiben.“ Ostermann forderte die Landesregierung auf, den Bestrebungen, die berufliche Bildung in die Länderhoheit zu überführen, entgegenzuwirken.
Während man auf europäischer Ebene an der Vergleichbarkeit und damit an der gegenseitigen Anerkennung von Abschlüssen arbeitet, sollte Deutschland nicht den entgegengesetzten Weg einschlagen und den deutschen Exportschlager „Berufliche Bildung“ zersplittern.
Das Ergebnis wäre nicht nur für die berufliche Zukunft junger Menschen schädlich, denn ohne Vergleichbarkeit der Abschlüsse wäre die Mobilität der Absolventen beruflicher Ausbildung stark eingeschränkt, sondern hätte auch hohen Kosten- und Organisationsaufwand für überregional tätige Betriebe und hohen Verwaltungsaufwand der für die berufliche Bildung zuständigen Stellen zur Folge. Nicht zu vergessen ist, dass das hohe Ansehen und die große Akzeptanz des Dualen Ausbildungssystem mit seinen umfangreichen Möglichkeiten der Aus- und der Weiterbildung nicht zuletzt auf den bundeseinheitlichen Ausbildungsstandards fußt.